Wissenswertes über Katzensenioren, Demenz und kognitive Dysfunktion.


Inhalt

Das Leben ist Veränderung. Doch was verändert sich bei der älteren Katze? Mit welchen Veränderungen müssen wir dann rechnen? Da jede Katze ein Individuum ist, müssen wir bei unserer eigenen Katze ganz genau hinsehen. Denn nur so können wir auch oder gerade im Alter, für eine bestmögliche, medizinische Versorgung und Wohlbefinden unserer Katze sorgen. Tierärztin Yvonne Lambach erklärt in dieser Folge typische Verhaltensänderungen der älteren Katze - von der Demenz bis zu kognitiven Dysfunktionen.


Die Miau Katzen-Podcast Shownotes

Hier findest du alle Zusatzinformationen und Links für Folge #124 des Miau Katzen-Podcasts.

 

Die Episode zum Lesen:

Hallihallo zu einer neuen Folge Katzenpodcast. In der letzten Folge habe ich mich ja schon ein bisschen dem Thema Katzen-Senioren gewidmet und ein wenig wollen wir heute daran anknüpfen. Und ich habe heute wunderbarerweise wieder mal die Tierärztin Yvonne Lambach im Interview.

Hallo Yvonne!

Hallo Sabine!  Ja, ich freue mich total wieder da zu sein.

Ja, wir haben ja eine kleine Pause gemacht, aber es war ja auch viel los und die Welt spielt immer noch verrückt. Ich hatte ja gehofft, das wird sich in der Zwischenzeit mal wieder ändern. Aber im Moment ist immer noch Ausnahmezustand. Aber nichtsdestotrotz sollten wir uns dem Thema widmen, was wir für heute ausgeguckt haben, nämlich Demenz und kognitive Dysfunktion. Was steckt denn dahinter, Yvonne?

Was steckt dahinter – also dahinter steckt für mich in erster Linie, dass das ein Thema ist, was, obwohl es viele wahrscheinlich gar nicht wissen, die allermeisten Katzenhalter irgendwann im Leben ihrer Katze betrifft. Das heißt, die allermeisten Katzen entwickeln im Alter, mehr oder weniger, manche fast gar nicht, Zeichen von kognitiven Veränderungen. Also die Wahrnehmung und das Verhalten verändern sich. Und für die allermeisten Katzenbesitzerinnen ist das, glaube ich, so, das wird auch ganz oft so gesagt in der Behandlung: Meine Katze wird halt alt, die ist so ein bisschen komisch oder die ist so ein bisschen schrullig. Aber das ist tatsächlich, und da lernen wir jetzt immer mehr dazu und sind noch mitten im Prozess des Lernens, tatsächlich so, dass das wohl aufgrund von Veränderungen im Nervensystem auch entsteht. Und das ist tatsächlich ähnlich wie beim Menschen. Auch da haben wir ganz viel dazugelernt, dass es da wirklich eine Parallele gibt zwischen Katze und Mensch. Ganz spannend, weil bei der Laser-Installationsgeschichte gab es ja auch schon so eine Parallele, dass die Katze ein Modell ist für den Menschen. Und das ist bei der Alzheimer-Forschung auch ein bisschen so jetzt inzwischen. Es gibt natürlich ganz viele Publikationen. Ich bin da ja jetzt auch nicht in der neurologischen Forschung unterwegs. Aber es gab da halt eine ganz spannende Studie aus Japan. Die ist zwar auch schon fünf Jahre alt, aber eigentlich ist das noch nicht lange her. Da haben die Kollegen gezeigt, dass bestimmte Veränderungen, die beim Alzheimer entstehen, beim Menschen, auch bei der Katze im Nervensystem auftreten. Und zwar gibt es so bestimmte Veränderungen, die ganz typisch sind für Alzheimer. Das habe ich jetzt auch lernen dürfen. Und zwar sind das so bestimmte Eiweißansammlungen. Das ist dieses Amyloid-Beta. Dann gibt es diese klassischen Alzheimer-Fibrillen. Im Prinzip muss man sich vorstellen, dass die neurologischen Verbindungsbahnen sich ein bisschen verknubbeln. Ja, und dann geht aber auch Verbindung zwischen den Nervenzellen verloren. Also richtig, dass Neuronen verschwinden, also Nervenzellen und ihre Ausläufer, die sich dann wieder mit der nächsten Nervenzelle verbinden, die sind einfach weg, da gehen die Zellen kaputt. Das ist halt ein Alterungsprozess. Und das passiert lustigerweise oder nicht lustigerweise, sondern eher traurigerweise, aber spannend eben auch bei der Katze in gewisser Form so wie beim Menschen.

Und wie kann man sich das vorstellen? Also bei Menschen sagt man ja ab einem gewissen Alter, das sagen sogar die Betroffenen manchmal von sich selbst, ach ich bin so ein bisschen tüddelig geworden oder einfach vergesslich. Also viele Menschen merken ja dann auch echt selbst, dass sie gewisse Sachen vergessen und sich an manche Sachen nicht mehr so gut und so leicht erinnern können wie das früher war. Ist das so ähnlich bei der Katze?

Ja, wir wissen natürlich nicht, ob die Katze es selber merkt, aber tatsächlich sind es die gleichen Symptome. Es ist so, dass die Katzen weniger lernfähig sind. Das merken wir ja auch bei uns selbst schon auch im früheren Alter, dass da so ein Abhint. Ja, leider. Genau, also das ist aber tatsächlich was, was man dann eventuell im Training merken würde. Auf der anderen Seite ist es aber auch was, wo wir gut gegen diese Alterungsprozesse arbeiten können. Also wir sollten weiter fördern und trainieren, an der Stelle nur schon mal so für die Praxis. Also Training, Lern- und Gedächtnisdefizite spielen eine Rolle. Dann tatsächlich etwas, was auch oft berichtet wird, ist Vokalisation. Also Vokalisation, Miauengurren, das wird mehr. Und oft auch in Situationen plötzlich auffällig, in denen wir das eigentlich gar nicht kennen. Also wirklich neu. Neues Verhalten. Das ist etwas, was bei der Katze ganz typisch ist. Das machen Menschen ja jetzt eher nicht. Aber was auch ähnlich ist für Menschen, ist Desorientierung. Also die Katze erscheint nicht mehr so orientiert in der Wohnung wie sonst. Das kann zwei Gründe haben. Das kann noch einen anderen wichtigen Grund haben, der auch mit dem Alter zu tun hat. Eben einmal diese kognitiven Veränderungen, aber auch, dass der Sehsinn beeinträchtigt ist. Da müssen wir immer dran denken. Aber bei der kognitiven Dysfunktion ist es ein ganz wichtiges Symptom. Es kann sein, dass Sie da sitzen und in der Gegend rumgucken und man denkt so, ist er noch da? Ja, mhm. Und dann aber im nächsten Moment wieder ansprechbar sind. Aber eben desorientiert und dann vielleicht auch wirklich öfter ihre Markierpunkte ablaufen, um zu gucken, ob das noch alles da ist, wo es war. Also das sind tatsächlich Situationen, die man dann öfter beobachten kann. Und was sich auch verändert, und das ist eben sehr, sehr vielschichtig, ist, dass die Interaktion sowohl mit den Artgenossen, Also wenn es jetzt im Mehrkatzenhaushalt auftritt, dass die Interaktion auch mit den Menschen sich verändert. Also weniger wird oder vermehrt. Also die Katzen zum Beispiel mehr Kontakt suchen. Oder dann sich so ein bisschen auch die Situation zwischen den Katzen so verändert, dass man merkt, okay, da hat jetzt nicht mehr der die Oberhand, der das eigentlich die letzten Jahre hatte, sondern der andere oder die andere. Da verschiebt sich dann oft auch was in der Dynamik. Bei Katzen sprechen wir ja jetzt nicht von einer klaren Rangfolge wie beim Hund. Aber da ist ja trotzdem immer so eine gewisse Sortierung in der Gruppe.

Das ist ein schönes Wort.

Ja, und das verändert sich dann unter anderem auch. Und was auch sich verändert, also es ist echt so ein ganzer Katalog, es gibt dafür auch ein Schema, damit man nichts dabei vergisst. Da gibt es eins, das ist schon ein bisschen länger da, Das ist das sogenannte Disha-Schema, das ist so eine Abkürzung. Da kommen diese ganzen Aspekte jetzt drin vor. Aber es ist eben auch zum Beispiel der Schlaf. Also, es wird unter Umständen weniger geschlafen oder mehr geschlafen, aber dann wieder anders. Also, mehr tagsüber, weniger nachts, dass ich dann auch in der Nacht mehr Unruhe wahrnehme. Und Vokalisation zum Beispiel. Die Katzen eben oft auch morgens um vier aufstehen dann plötzlich. vielleicht nicht mehr um halb sechs, sondern um vier oder um drei wach werden und dann auch suchen und umherwandern. Das kann sich eben auch verändern. Insgesamt die Aktivität kann sich verändern. Und noch ein ganz wichtiges Thema, das uns alle immer sehr schnell unruhig macht, ist, wenn man das so aus dem Englischen übersetzt, das Haustraining vergessen wird. Also das heißt, dass Harnabsatz und Kotabsatz plötzlich nicht mehr in der Toilette stattfinden oder bei Freigängern, die vorher immer draußen Kot und Harn abgesetzt haben, dann eben drinnen plötzlich stattfindet. Also sich solche Dinge verändern, das können tatsächlich Symptome sein. Ja, das heißt, man kann, also wenn man das das erste Mal hört, da denkt man sich so, hä, wie denn jetzt? Also mehr schlafen oder weniger schlafen, aktiver oder weniger aktiv. Aber man kann vielleicht sagen, die Katze wird in ihrem Wesen irgendwie extremer, in die eine oder in die andere Richtung. Genau, also anders, völlig anders oder eben tatsächlich auch extremer, ganz richtig. Und das sind oft so Kleinigkeiten, aber die dann in der Summe doch ein ganz anderes Bild darstellen.

Jetzt ist ja immer die Frage und damit beschäftige ich mich ja auch selbst schon total lange, auch wegen oder für Dolly und Pauli, aber auch weil weil mich das Thema wahnsinnig interessiert: Was ist denn überhaupt der Normalzustand bei unserer Katze? Da habe ich ja schon oft auch drüber erzählt oder geschrieben. Wir müssen ja eigentlich erst mal selbst verstehen, was ist denn so der Normalzustand, den wir kennen, den erst mal auch aktiv wahrnehmen und uns bewusst machen, bevor wir solche Abweichungen erkennen können. Wie sieht das aus? Ist das so klar in der Masse der Forschung oder in den Ergebnissen, die ihr da jetzt vorliegen habt, dass man sagt, okay, das ist jetzt ganz klar so eine Entwicklung oder ist es immer noch dann schwierig, auch wenn man die Augen öffnet für dieses Thema?

Ja, das ist tatsächlich auch eine ganz wichtige Frage. Also was normal ist und was unnormal ist, in Anführungszeichen, also abweichend und krank, Das ist natürlich zwischen Individuen sehr, sehr unterschiedlich. Erster Punkt. Das heißt, es ist super wichtig, genauso wie du es gerade gesagt hast, dass man immer mal wieder hinguckt. Was macht meine Katze denn den ganzen Tag eigentlich? Und das wirklich bewusst wahrnimmt. Also eben auch in jungen Jahren schon mal hinschaut, gerade wenn man mehrere Modelle hat. Was macht denn den Einzelnen aus? Und dann, wenn man merkt, da hat sich was verändert, wirklich das mal aufschreiben. Also mal gucken, wann passieren bestimmte Dinge, wie häufig passieren die. Und dann hilft es zum einen wirklich zu objektivieren, was ist denn jetzt wirklich anders. Und zum anderen hilft es tatsächlich dann auch, wenn man Hilfe sucht, demjenigen, Tierärztin, Tierarzt oder Verhaltenstherapeuten, das da zu helfen und zu unterstützen. Und das ist einfach eine schwierige Frage. Und darauf gibt es gar keine klare Antwort leider an der Stelle. Wir wissen eben, dass in den unterschiedlichen Altersklassen sozusagen diese ganze Problematik in unterschiedlicher Intensität auftreten kann. Aber auch das ist ganz unterschiedlich. Und was ich aber finde, was da ganz wichtig ist, wir haben ja diese verschiedenen Altersstufen, wo wir die Katzen einsortieren sozusagen. Also die ganz Jungen, die noch im Wachstum sind, so zwischen dem ersten und dem … also zwischen der Geburt und so dem zweiten Geburtstag. So grob, manche werden ein bisschen früher erwachsen, manche ein bisschen später. Und dann haben wir die jungen Erwachsenen, so bis … im Alter von fünf bis sechs. Und dann haben wir die älteren Erwachsenen, so ab fünf, sechs bis maximal zehn. Da haben wir aber schon so eine Tendenz zum Seniorsein. Da ist auch eine unklare Grenze. – Was? Wann? Das bedeutet ja, dass Dolly und Pauli schon Senioren sind. Echt jetzt? Meinst du das jetzt ernst? – Ja, ich mein’s ernst. Ich sag den Leuten in der Behandlung, der sieht überhaupt nicht so aus, aber ganz offiziell. Und das ist aber wirklich so. Den meisten sieht man’s da natürlich nicht an. Also, wir sagen schon … orientiert an Erkrankungen, die auch mit dem Alltag, also körperlichen Erkrankungen, Alter entstehen, da sagen wir schon in der Regel so ab 8, 9 ist das relevant. Und da fangen wir auch, da können wir vielleicht nachher noch mal drauf eingehen, mit den Vorsorgeuntersuchungen an. Aber um jetzt noch mal zu den Altersklassen sozusagen zurückzukommen, so ab 10 sind es dann offiziell Senioren, bis 14 sprechen wir vom klassischen Senior. Und ab 14 hat sich jetzt so ein süßer Begriff eingebürgert. Und das finde ich total toll. 14 aufwärts sozusagen, das sind dann die ganz alten Weisen und das sind die Super-Senioren. Die sind super cool, aber die haben auch super viele Probleme.

Aber nicht immer.

Nein, nicht immer. Gott sei Dank ist das so. Haben sie eben oft und so muss man sich das vorstellen. Also man hat wirklich so einen fließenden Übergang natürlich zwischen all den Altersgruppen, Aber wir wissen eben, dass ab diesen Späterwachsenen sozusagen, dass eben ab da schon diese kognitiven Veränderungen auch auftreten können. Das heißt, auch eine Katze mit acht, die plötzlich mehr vokalisiert und vielleicht umreihen wird, da muss ich trotzdem da auch schon dran denken. Abgesehen davon, dass ich natürlich an alle körperlichen Ursachen denken muss, und die muss ich vorher abklären.

Kannst du vielleicht jetzt noch mal bitte für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer ein paar Beispiele für die kognitiven Veränderungen nennen, damit wir uns das alle noch besser vorstellen können?

Ja, die klassischen Veränderungen sind tatsächlich vermehrtes Vokalisieren. Das ist natürlich auch ein schlaues Wort. Das heißt, die Katze miaut mehr. In der Regel ist das… Ja, das Miauen ja oft gerichtet an uns. Weil es ja die Kommunikationsform ist, die Katze wählt, um uns zu aktivieren. Erwachsene Katzen miauen ja nicht miteinander. Aber gerade bei den kognitiven Veränderungen, dann ist es auch regelmäßig so, dass sie so ungerichtet miauen. Also, dass diese Vokalisation auftritt, ohne einen Anlass. Und ohne einen Adressaten, den man jetzt so wirklich ausmachen könnte, wenn man sich so von außen die Situation anschaut. Das ist ein ganz klassisches Symptom. Und dann eben diese Unruhe, wenn man feststellt, okay, die Katze ist auf einmal plötzlich viel aktiver, aber eben auch so ungerichtet. Also es ist nicht so, dass sie jeden Tag dreimal vorbeikommt und spielen will. Sondern dass diese Unruhe so schlecht zu greifen ist. Also Katze läuft durch die Wohnung, guckt immer mal in die Ecken. Oder fordert sich unter Umständen auch mehr Futter ein. Wo man so das Gefühl hat, okay, wir haben noch gerade erst. Auch das kann natürlich körperliche Ursachen haben. Aber das sind so diese Klassiker. Und was ich eben noch nicht erwähnt habe, ist eine vermehrte Angst. Also Geräuschangst zum Beispiel kann auch ein Symptom sein. Also ich habe Geräusche, die immer in der Umgebung sind oder immer im Haushalt sind, und plötzlich wird die Katze viel, viel ängstlicher darauf. Und es ist jetzt nicht so, ich sag jetzt mal bei einem Topf, dass jetzt dreimal der Deckel auf die Katze gefallen wäre. Also keine Konditionierung auf eine Situation, die Angst macht, sondern dass dann wirklich die Katze plötzlich viel ängstlicher ist. Das sind so ganz, ganz klassische Situationen. Und dann eben Kot oder Haarnabsatz oder beides außerhalb der Toilette. Ganz plötzlich, wenn man nichts verändert hat, dann ist das schon ein sehr starker Indikator, dass da irgendwas nicht in Ordnung sein könnte.

So, das war der erste Teil meines Interviews mit der Tierärztin Yvonne Lambach zum Thema Demenz und kognitive Dysfunktion. Den zweiten Teil des Interviews könnt ihr in der nächsten Folge hören. Bis dahin klickt doch schon mal auf „Abonnieren“, um keine Folge mehr zu verpassen. und macht euch eine schöne Zeit. Bis dann, tschüss!

Weitere Folgen dieses Podcasts:

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